In dubio pro animale - im Zweifel für das Tier
[...] ein Bauer in Västergötland wollte Schafe zur Schlachtung bringen. Das Schlachthofauto kam und holte die Tiere zwischen zehn und elf Uhr vormittags ab. Da in dem Auto auch Schweine waren, fragte der Schafbesitzer, ob das Auto auch nach Skara fahre, wo die Schweineschlachtung ja zentralisiert ist. Nein, antwortete der Fahrer, die Schweine haben wir schon heute früh abgeholt, denn wir sind schon eine Tour nach Uddevalla gefahren und haben dort Schlachtvieh abgeliefert. Und jetzt müssen wir nochmal mit Schafen und Rindern nach Uddevalla, und danach machen wir noch eine Runde und füllen unseren Laster mit Schweinen, die heute Abend in Skara abgeliefert werden müssen. Diese armen Schweine mussten also den ganzen Tag lang herum kutschieren, ehe sie zu ihrer Nachtherberge in Skara kamen. Dort trafen sie nämlich so spät ein, dass die Tagesarbeit abgeschlossen war und sie nicht mehr geschlachtet werden konnten. Wenn jetzt der Schlachthof von Uddevalla zumacht, dann bietet sich auch dem Rindvieh Gelegenheit für lange Reisen….
aus Astrid Lindgren 1990: Meine Kuh will auch Spaß haben
Ethik ist die Wissenschaft von der Moral. Dass diese bis heute einen schweren Stand gegenüber den "Gesetzen des Marktes" hat, wird anhand des obigen Beispiels leicht verständlich. Die Phase der Nahrungsmittelerzeugung, in der aus dem lebenden Tier Fleisch wird, ist für den Menschen unangenehm und wird häufig tabuisiert. Dabei sind das Betäuben und das Töten von Tieren nicht nur im Bewusstsein Außenstehender, sondern auch für alle am Schlachthof Beschäftigten unliebsame Verrichtungen. Doch selbst wenn wir uns bewusst dazu entscheiden, Tiere für uns zu nutzen, so ist nach Teutsch die Tötung von Lebewesen überhaupt nur dann zu entschuldigen, wenn sie Angst- und Schmerzfrei erfolgt. Das ist jedoch bei den herkömmlichen Schlachtverfahren häufig nicht der Fall. Die Tiere sind prämortalen Belastungen ausgesetzt: Sie werden von den Herdenmitgliedern getrennt, eingefangen und verladen. Sie kommen beim Transport oder auf dem Schlachtbetrieb mit fremden Artgenossen und fremdem Personal in Berührung. Sie befinden sich in einer neuen, ungewohnten Umgebung und werden zur Betäubung in Zwangseinrichtungen verbracht und fixiert. Um den Tieren prämortale Belastungen zu ersparen, können sie zum Zwecke der Schlachtung - im Rahmen teilmobiler Schlachtung - im vertrauten Herdenverband betäubt und getötet werden.
Nach Teutsch 1987 "ein gnädiger Tod wäre doch wohl das Mindeste, was wir unseren Nutztieren schuldig sind."
Lea Trampenau
[...]Der Monat Mai war kühl und der Graswuchs geriet ins Stocken. Unsere Tiere hatten sich in der Freiheit vermehrt, die Weidefläche wurde knapp und wir bekamen Probleme. Die Rinder wollten weiden und waren nicht mehr bereit, trockenes Heu zu fressen, stattdessen drückten sie laufend die vorhandenen Stacheldrahtzäune um oder sprangen einfach darüber hinweg, um das Gras der Weiden anderer Bauern zu verzehren. Dies gab natürlich Ärger und wir mussten Abhilfe schaffen. Ein Kollege im 20 Kilometer entfernten Dorf suchte Rinder für seine Weide, und so verkaufte ich ihm sechs Tiere, darunter auch Victoria. Die Rinder wurden mit einem Viehanhänger, in dem zwei Tiere Platz hatten, abgeholt. Schon das Einfangen war nicht ganz einfach. Als der Käufer dann mit der zweiten Ladung nach Hause kam, waren die ersten beiden Rinder schon ausgerissen und konnten nur mühsam wieder zur Weide zurück getrieben werden.
Zunächst wussten wir nicht, ob wir die beiden anderen auch ausladen oder alle wieder nach Hause bringen sollten. Nach einigem Überlegen ließen wir die zweiten Rinder doch auf die Weide zu den inzwischen wieder zurück geholten ersten beiden Tieren. Als sie dann zu viert waren beruhigten sie sich und begannen zu weiden. Darauf brachten wir dann auch die letzten beiden Tiere. Drei Monate später, an einem Sonntagabend war ich mit meiner Familie auf dem Heimweg mit dem Auto. Ich habe die Angewohnheit, stets bei der Weide vorbei zu fahren und nach den Tieren zu sehen. Als wir in die Nähe unserer Weide kamen, sahen wir zu unserem Erstaunen einen Polizisten mit Sprechfunkgerät und schussbereiter Maschinenpistole herumlaufen. Ich fragte: "Was ist denn hier los?"
Er erklärte: "Im Balinger Schlachthof ist ein Stück Vieh ausgerissen und soeben in dieses Tal hinuntergelaufen. Mein Kollege ist ihm nach und wird es gleich erschießen." Ich sagte aufgeregt: "Bitte funken sie ihrem Kollegen, er darf da unten auf keinen Fall schießen, dort sind unsere Rinder, nicht das er ein falsches erschießt! Ich gehe gleich hinunter und sehe nach, wo sich das Tier befindet." Der Beamte tat mir den Gefallen und ich ging hinunter zu unseren Tieren. Inmitten der Herde fand ich ein ganz nass geschwitztes Rind, das ein Strickhalfter um den Kopf hatte und das Strickende auf dem Boden nachzog. Es war Victoria!
Später erfuhr ich, dass der Kollege, der die Tiere drei Monate zuvor gekauft hatte, krank geworden war und die Rinder an einem Viehhändler verkauft hatte, der sie in den Balinger Schlachthof brachte. Dort riss sich Victoria los, rannte aus der Stadt hinaus, überquerte zweimal eine stark befahrene Bundesstraße und eine Bahnlinie, suchte auf einer Weide in einem vier Kilometer entfernten Dorf kurz Schutz, floh dann wieder und kehrte zielstrebig auf die Heimatweide zu uns nach Ostdorf zurück und versteckte sich in der Herde. Ich brachte es nicht übers Herz, dieses kluge und treue Tier wieder seinen Häschern auszuliefern und kaufte es vom Viehhändler zurück. Aufgrund dieser Erfahrung mit Victoria werden bei uns keine Tiere mehr lebend verkauft, von der Weide abtransportiert oder der Willkür anderer Menschen ausgeliefert. Wenn nun ein Viehhändler kommt und ein bestimmtes Tier kaufen möchte, so kann er bieten was er will, es wird einfach nicht verkauft - unsere Tiere haben Heimatrecht.
aus Ernst Hermann Maier 2009: Der Rinderflüsterer
ISS - Innovative Schlachtsysteme
Dipl.-Ing. Lea Trampenau
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